Steinfurt: Flanderns Schlachtfelder und Soldatenfriedhöfe mahnen zum Frieden

Die Europa-Union des Kreises Steinfurt ging in einem viertägigen Seminar in Museen, auf Schlachtfeldern und Soldatenfriedhöfen den Spuren des Landsturmmannes te Löken nach, um zu erfahren, wie die immer noch stattfindenden Aufarbeitung der Kriegsgeschichte auf den europäischen Einigungsprozess wirken kann.

(Foto: Privat/Europa-Union Steinfurt)

Rheine. Die Flandern-Schlachten im ersten Weltkrieg stehen für die Brutalität und zugleich für die Sinnlosigkeit eines Krieges. Allein die am 31. Juli 1917 eingeleitete dritte Flandernschlacht erforderte 460.000 gefallene, vermisste oder verwundete Soldaten auf beiden Seiten der Front. In etwas mehr als drei Monaten wurde das Kampfgebiet im „Ypern-Bogen“ in eine Mondlandschaft verwandelt und die Front um nur ganze 8 Kilometer verschoben. Inmitten dieser Kämpf wurde der aus Rheine stammende Bernhard Johann te Löken am 20. September durch Artilleriebeschuss so schwer verwundet, dass er am Tag darauf starb. Stefanie Remberg zeichnete vor allem die letzten Tage Ihres Vorfahrens mit Hilfe belgischer Wissenschaftler für die Zeitschrift „Rheine-gestern, heute, morgen“ auf. Und die Europa-Union des Kreises Steinfurt ging jetzt in Museen, auf Schlachtfeldern und Soldatenfriedhöfen den Spuren des Landsturmmannes te Löken nach, um zu erfahren, wie die immer noch stattfindenden Aufarbeitung der Kriegsgeschichte auf den europäischen Einigungsprozess wirken kann.

Gleich zu Beginn des vom DEPB-Tecklenburg organisierten 4-tägigen Seminars besuchte man das „Mémorial Interallié de Cointe“ in Lüttich. Da sich die Stadt als erste in Belgien tapfer und erfolgreich gegen die Angriffe der Deutschen im Ersten Weltkrieg wehrte, wurde sie im Jahre 1925 mit dem Bau des Denkmals von der Internationalen Veteranen-Föderation beauftragt. Die Gedenkstätte und das umliegende Gelände umfassen Denkmäler der damals alliierten Staaten Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Polen, Rumänien, Russland und Spanien. Bundespräsident Joachim Gauck sprach hier im August 2014 „vor dem Hintergrund der unheilvollen Geschichte unserer Länder“ die Sätze: „Wir sind dankbar dafür, dass wir in Europa nun schon so lange in Frieden miteinander leben können. Wir wissen: Das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade hier in Belgien, wo das verfasste Europa zu Hause ist, ist die europäische Einigung zu loben. Statt des Recht des Stärkeren gilt in Europa heute die Stärke des Rechts“.

Den ganzen Schrecken und die Ausmaße nationalstaatlichen Handelns, bei dem das Recht des Stärkeren gilt, bekamen die Seminarmitglieder dann tags darauf in Ypern und im dortigen Museum „In Flanders Fields“ vor Augen geführt. Am 4. November 1914 ließ der deutsche General Berthold von Deimling ohne militärischen Grund und gegen die ausdrückliche Weisung seines Oberbefehlshabers Kronprinz Rupprecht von Bayern die berühmte mittelalterliche Tuchhalle von Ypern in Schutt und Asche legen. In der später wiederaufgebauten Tuchhalle, die mit der danebenstehenden ehemaligen Bischofskirche St. Martin heute wieder ein beeindruckendes Ensemble darstellt, erinnert eine Dauerausstellung an das Kriegsleiden und den Wiederaufbau der Stadt. Viel Zeit nahm man sich für diese beeindruckende und zugleich bedrückende Ausstellung, die den Stellungskampf im „Ypern-Bogen“ in vielen Details nachzeichnet. Da es nach Meinung der dort Verantwortlichen in Kriegen keine Gewinner oder Verlierer, sondern nur Verlierer gibt, sind auch Deutsche herzlich willkommen, was auch in der viersprachigen und damit auch deutschen Beschreibung der Ausstellungsstücke zum Ausdruck kommt.

Eine Führung durch das wiederaufgebaute Ypern schloss sich an. Kevin Breyne verstand es, die totale Zerstörung der Stadt durch die deutschen Truppen und den Wiederaufbau auf der Grundlage alter Stadtpläne anhand verschiedener Details deutlich zu machen. Beeindruckend und stadtbildprägend ist die schon im neunten Jahrhundert geschaffene Umwallung der Stadt, die heute eine großartige Grünanlage darstellt und seit dem Ersten Weltkrieg auch Platz für britische Kriegsgräber bietet.

Am Abend nahm die Gruppe dann im Menenport, dem bekanntesten Denkmal des Commonwealth in Flandern, an dem seit 1928 täglich stattfindenden „Last Post“ zu Ehren der vermissten Soldaten teil. In die Steinplatten des Menenports sind rd. 55.000 Namen von vermissten Soldaten eingemeißelt, die im „Ypern Bogen“ als vermisst gemeldet wurden und kein bekanntes Grab haben. Trompeter der Last Post Association spielen jeden Abend zum Gedenken an die Gefallenen und an den Waffenstillstand von 1918.

Am Tag darauf besuchte man „Tyne Cot Cemetery“, den mit 12.000 Gräbern und den Namen von 35.000 Vermissten größten Soldatenfriedhof des Commonwealth. Von diesem auf einer Anhöhe gelegenen Friedhof lässt sich auch das nur 8,5 Kilometer breite Schlachtfeld von 1917 zwischen Ypern und Passendale überblicken, was die Sinnlosigkeit dieser grausamen Schlachten nur unterstreicht. Vertiefte und zugleich ergänzende Eindrücke von der dritten Flandernschlacht bekamen die Seminarteilnehmer im Memorial Museum Passchendaele. Hier konnte man in Schützengräben und in den nachgebauten „Dogouts“, den unterirdischen Aufenthaltsräumen, das spartanische Soldatenleben unter ständigen Geschützdonner selbst erfahren. Den Abschluss des Tages bildeten dann der Besuch des belgischen Soldatenfriedhofs Houthuist und der deutschen Friedhöfe „Vladslo“ und „Langemarck“.

Auf der parkartigen Anlage „Vladslo“, ca. 20 Kilometer südlich von Ostende, sind mehr als 25.000 deutsche Soldaten und wenige Frauen begraben. Bekannt geworden ist der Friedhof durch die Figurengruppe „Trauerndes Elternpaar“ von Käthe Kollwitz. Die aus belgischem Granit geformten Figuren tragen die Gesichtszüge von Käthe und Karl-Heinz Kollwitz. Sie sind der Grabstelle ihre Sohnes Peter zugewandt, die unmittelbar vor der Figurengruppe liegt.

Auf dem Soldatenfriedhof „Langemarck“ sind heute etwa 45.000 deutsche Soldaten und einzelne Soldaten der Alliierten Truppen begraben. Viele davon liegen in dem großen Gemeinschaftsgrab unmittelbar am alten Eingangsbereich des Friedhofes. Hier wie auch anderswo gilt das inzwischen füreinander gereifte Verständnis: „Im Leben ein Feind, im Tode vereint!“ Der Friedhof wird u.a. durch restaurierte Bunker und dazwischenliegende Granitblöcke mit Inschriften der Spender geprägt, die die deutsche Frontlinie im Ersten Weltkrieg nachzeichnen. Im Jahre 2006 wurde an der Nordseite ein tunnelartiges Gebäude Eingangsgebäude errichtet und erst 2015 wurden das alte Eingangsgebäude sowie die Wege und Flächen der Kriegsgräberstätte renoviert und mit einer Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge wieder eröffnet. „Frieden“, ist die Zeitschrift des Volksbundes überschrieben, den man nach den Besuchen sich über den Gräbern der unzähligen Toten des Krieges nur wünschen kann.

Nach den belastenden und bedrückenden Erkenntnisse der ersten Seminartage war die Erkundung der alten Hanse- und heutige Weltkulturerbe-Stadt Brügge unter fachkundiger Führung ein entspannendes Element des viertägigen Seminars.